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rizospastis-100 Jahre

Lieber Papou,
Du hättest es verdient, dass ein begabter Trauerredner die letzten Worte über Dich sagt, Du, der aus dem Stegreif Reden halten konnte und sein Leben dem geschriebenen Wort gewidmet hatte.
Aber ich wollte Dir selbst ein paar Worte zum Geleit sagen.
Das ist für mich sehr wichtig, denn in der kurzen Zeit die Du nicht mehr unter uns weilst haben wir festgestellt wie sehr Du uns fehlst.
Die Bilder, die wir hier für Dich ausgesucht haben, waren so typisch für Deine Lebensart. Du hast gern mit uns gefeiert, am liebsten mit der gesamten Familie, aber auch Deine und unsere Freunde sollten nicht fehlen…

Wir haben in den letzten Tagen viel Post von Menschen bekommen, die so froh waren Dich kennengelernt zu haben und alle die hier heute nicht herkommen konnten denken in diesem Moment an Dich.

Der amerikanische Schriftsteller Thornton Wilder hat einmal gesagt:
Da ist ein Land der Lebenden und da ist ein Land der Toten;als Brücke dazwischen ist unsere Liebe.
Da ist ein Land der Lebenden.
Wir haben dieses Land mit Dir erlebt. Manche von uns sind mit Dir einige Schritte gegangen, andere fast den gesamten Lebensweg.
Über die Zeit im „Land der Lebenden“, gemeinsam mit Dir, haben wir viele Erinnerungen und können sehr viel erzählen. Gerade in den letzten Tagen sind viele dieser Erinnerungen wieder wach geworden.“
Du warst Partisan, Verbannter, Du warst die Verbindung des jungen sozialistischen Deutschlands zu Deiner Heimat, Du hast Dich liebevoll um die griechischen Kinder gekümmert, deren Eltern im Bürgerkrieg gefallen sind. Du warst Journalist im ADN, sogar „Chef vom Dienst“ obwohl Deine südländische Lebensart manchmal mit der Auffassung Deiner Direktorin kollidierte.
Dafür kümmerten sich viele Deiner Kollegen nach Feierabend meistens um Ihre Datschen, Du nicht, Du warst Ruhelos und musstest immer noch etwas tun. Wenn ich an diese Jahre zurückdenke, sehe ich Dich immer an Deinem Schreibtisch sitzen, mit einem Stift in der Hand und natürlich einer Zigarette.
Mit 60 Jahren hast Du Dir sogar das Rauchen abgewöhnt, nicht wegen der Gesundheit, nein aus Liebe zu Deiner Frau und Deinen 4 Kindern, Du wolltest Ihnen möglichst viele Geschenke aus London mitbringen, da konntest Du kein Geld für Zigaretten verschwenden.
Die meisten von Euch kennen nur 3 Kinder von Dir, aber Du hast Sabine sofort als Tochter anerkannt und Ihr mindestens genauso viel Liebe und Zuneigung geschenkt wie uns, Deinen eigenen Kindern.
Du warst ein Kämpfer für eine gerechtere, bessere Welt, immer ganz links und am Ende mit viel Weitblick, der war soweit, dass Deine Freunde ihn nicht drucken wollten. So sind Deine Memoiren bislang unveröffentlicht, aber das werden wir nachholen.

Du warst Übersetzer, Dolmetscher und politischer Korrespondent „Deiner“ Rizospastis.
Du warst Ehemann, Vater, Großvater, Urgroßvater und Schwiegervater.
Mit 70 Jahren hattest Du es endlich geschafft, uns Deine Heimat zu zeigen, voller Stolz hast Du uns so glaube ich, jeden alten Stein gezeigt, den Deine Helenen jemals bewegt hatten.
Du mit Deinen über 70 Jahren warst unermüdlich, kein Weg war Dir zu weit, kein Strand zu heiß.
Wir jungen Hüpfer dagegen brauchten schon damals zwischendurch eine Pause.
Du warst Bruder, Onkel, Du warst ein Freund.
Dein Beruf war Deine Berufung, wir haben so viele Übersetzungen und Kommentare von Dir gefunden, dass es wohl noch Wochen und Monate dauern wird bis wir alles gesichtet haben. Dafür hat man Dich mit Auszeichnungen überhäuft, bis hin zum „Großen Stern der Völkerfreundschaft“.
Alles hast Du wunderschön gebündelt, verschnürt und mit einer Unmenge von Knoten gesichert.
Als Du in die Jahre kamst, wurde die Familie für Dich immer wichtiger und Du hast versucht die Dinge nachzuholen, die Du vielleicht versäumt hattest.
Du warst ein Ruhepol in der Umbruchszeit, die Enttäuschung über die Zeitgeschichte merkte man Dir nicht an, leider hat Gertrud das nicht mehr ganz miterleben können.
Deine eigenen Maläsen waren Dir nicht wichtig es ging Dir immer um das Wohl der anderen. Du warst immer für die Schwächeren da.

Unsere Erfolge haben Dich glücklich gemacht und unsere Niederlagen sind Dir sehr zu Herzen gegangen. Es war für Dich schrecklich, nicht helfen zu können.
Du selbst brauchtest nicht viel, einen Kugelschreiber und etwas Papier.
Geschenke wolltest Du eigentlich nicht, die erste Frage war immer.

Könnt Ihr es gebrauchen???
Aber eine Leidenschaft von Dir war es, selbst zu schenken.
Frauentag, Geburtstag, Weihnachten, sogar an unseren Hochzeitstag hast Du immer an uns gedacht.
Wie viele Menschen hast Du mit Aufmerksamkeiten eine Freude gemacht und wer konnte Deinem Charme widerstehen..
Zu Deinem 90. Geburtstag stand für Dich fest, das nächstemal feiern wir so richtig wenn Du 100 Jahre alt wirst.
Dieses Ziel hast Du tatsächlich am 01.01.2014 erreicht und Du warst darüber sehr glücklich.
Es war noch einmal eine tolle Feier, mit der ganzen Familie, Deinen Freunden, Nachbarn, Bekannten sogar Deine liebe Frau Dr. Baum war da. Und natürlich auch Anne und Pierre, die dabei geholfen haben, dass Du immer bei uns in der Familie bleiben konntest, selbst wenn wir arbeiten waren.

Über das Land der Toten, können wir nichts sagen. Dahin bist Du nun unterwegs. Wir wissen nicht, wie es dort sein wird und was Dich dort erwartet. Wir können Dir nur hilflos nachblicken. Wir geben Dir aber unsere guten Wünschen mit, für die Wege, die Du nun gehst, für das Land, das Dich erwartet.“
Mit 100 Jahren darf man gehen, Du hattest alles erreicht was Dir wichtig erschien, wir haben Dich nicht gehört als Du gegangen bist, aber wir hätten es noch ein Weilchen mit Dir ausgehalten.
„Da ist ein Land der Lebenden und da ist ein Land der Toten; und als Brücke zwischen beiden steht unsere Liebe. Diese Brücke ist stark; sie wird lange halten; bei einigen von uns für alle Ewigkeit. Es ist eine Brücke, gebaut aus Steinen der Liebe, befestigt mit unseren Tränen, verfugt mit unseren Erinnerungen und unseren guten Gedanken.

Lasst diese Brücke stark sein, als Verbindung zu unserem Papou, als Verbindung über die Grenze hinweg, über die Grenze zwischen dem Land der Lebenden und dem Land der Toten.

Da ist ein Land der Lebenden und da ist ein Land der Toten; und da ist als Brücke zwischen beiden unsere Liebe.“

„Tschüss, adio, bis dann, bis irgendwann, bis auch wir über diese Brücke gehen werden.“

Schön dass Du so lange bei uns warst